„Lange Straße des Ehrenamts“: Engagierte Menschen berichten dem BT, warum sie sich einbringen
Von Regina Voith
Baden-Baden – Freiwillig und ganz selbstverständlich seines Amtes zu walten – das formuliert der 13-jährige Pfadfinder Samuel Freundel so: „Für mich ist es eine Ehre, dass ich mitmache.“ Bei der „Lange Straße des Ehrenamts“ am vergangenen Samstag in der Fußgängerzone sprach er damit Jung und Alt aus der Seele.
Samuel ist stolz auf seine Uniform, denn sie zeigt unmissverständlich seine Zugehörigkeit. Der Junge wirbt am Stand der „Weltenbummler“ für seinen gemeinnützigen Verein. Darin lernte er, „wie man sich verhält“ und „Verantwortung übernimmt“. Ganz selbstverständlich habe sich für ihn daraus ein Ehrenamt ergeben. Und deswegen darf Samuel „bald eine Gruppe führen“.
Aus Samuels Alter sind die jungen Leute am DLRG-Stand heraus. Doch auch sie verbindet – über ihre Neigung zum Schwimmsport hinaus – das Übernehmen nicht bezahlter Aufgaben wie Wachdienst oder Unterricht. Simon Gerstner, der die DLRG in Baden-Baden neben seinem Lehramtsstudium führt, ist sich sicher, dass „Vereinsleben die soziale Kompetenz fördert“.
Gesellschaft etwas zurückgeben
Wenn auch der Kunst verschrieben, so formuliert Professor Karl Manfred Rennertz von der „Gesellschaft der Freunde junger Kunst Baden-Baden“ Gerstners Statement nur leicht um. „Soziale Kompetenz erwirbt man in einem Verein“, sagt er. Im Hinblick auf das Ehrenamt sprach er von einem möglichen „familiären Sog“: Damit meinte er Fußstapfen, in die Kinder „hinein könnten“, wenn sie „für übernommene Aufgaben ein großes Lob“ erhielten. Das habe man als Vorbildgeber selbst in der Hand.
Unvermutet taucht Andreas Büchler am nächsten Stand auf. Er ist der Vorsitzende der Bürgerstiftung in Baden-Baden und sozusagen „der Gastgeber“ heute. Seite an Seite mit Julius Kindermann und der Ehrenamtsbeauftragten Anne Leppert begrüßt er am Ende der der tatsächlich „langen Straße“ Interessierte. Auch Büchler leitet die Bürgerstiftung ehrenamtlich. „Letztlich geht es uns ja gut in der Gesellschaft“, meint er, und so wolle er der Gesellschaft mit seinem Engagement „eben etwas zurückgeben“.
Die Menschen an den zahlreichen Ständen – vom Deutschen Roten Kreuz bis zum Kulturensemble Baden-Baden – sehen das genauso. „Unsere Gesellschaft funktioniert nicht ohne ehrenamtliche Mitarbeit“ – das ist fast überall zu hören, und man könne sie durch eigenes Engagement „mitgestalten“.
Ursula Johannes, die für den Landesverband „Aktionskomitee Kind im Krankenhaus“ eintritt, ist aus Freiburg gekommen, um hier für kindgerechte Bedingungen im Stationsalltag zu werben. „Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit und Haushalt, es muss auch etwas Sinnstiftendes geben“, ist sich die 53-jährige Krankenschwester sicher.
Die Aufklärung über Gesundheit und Menschenrechte spielen am Aktionstag eine große Rolle, wie es zum Beispiel der Blinden- und Sehbehindertenverein Südbaden tut. Ohne ehrenamtliche Arbeit müssten viele Betroffene weiter im Abseits der Gesellschaft leben, sagt Bezirksgruppenleiter Hans Kühn. „Hilfe zur Selbsthilfe“ – das habe den selbst erblindeten Mann vor vielen Jahren auf den Plan gerufen. Er will aufklären, wie man mit der Krankheit gut weiter leben kann.
Gleich vier Stände – vom Arbeitskreis Asyl, dem Caritas-Patenschaftsprojekt, dem Verein Aktiv-Brücke und dem Café Kontakt – haben sich der Flüchtlingshilfe verschrieben. An ihren nebeneinander stehenden Tischen herrscht reger Zulauf. Christian Kühnel vom Arbeitskreis Asyl berichtet über aktuell stark steigende Mitgliederzahlen. Er hatte den Arbeitskreis 1991 mitbegründet und sieht das plötzlich erwachte Interesse mit gemischten Gefühlen. Seit 24 Jahren tritt Kühnel für das Recht auf Asyl „ganz selbstverständlich“ ein.
Mehr Zeit im Ehrenamt
Zur unentgeltlichen Mithilfe beim städtischen Pflegestützpunkt haben sich auch sieben Mitarbeiter des Fachbereichs Bildung und Soziales entschlossen. Sie „schwärmen aus“ in Häuser und beraten auf Anfrage, wie „barrierefreies Wohnen“ möglich ist. Martina Zaum ist eine von ihnen. „Ich helfe gern“, sagt sie, „schlicht und einfach“. Im Ehrenamt habe sie als Fachpflegekraft mehr Zeit, die ihr „sonst nicht zur Verfügung“ stehe. Sie ist mit dieser Erkenntnis an diesem Tag nicht allein.
Ganzer Artikel im Badischen Tagblatt 21.9.2015
Weiterer Artikel in den Badischen Neuesten Nachrichten vom 21.9.2015
Last modified: 21. September 2015